Dumm geboren und mit jedem Tag dümmer geworden

Määäh, määäh

Ich glaube, dass ich vor einem Jahr Angst hatte. Die Wohnung war noch so gut wie voll, der Jürmann noch lange nicht fertig und ich saß mitten im Studium, verzweifelte an einer Hausarbeit über den Zauberberg und bangte davor, wie wir das alles hinbekommen sollen, denn das Ersparte schmolz bereits signifikant und die einzigen Einnahmen waren meine Buchverkäufe und die Überraschungseiersammlung eines Nachbarn.

Und dabei wussten wir noch gar nicht, welche Katastrophen noch alle auf uns warten würden.

Aber was ich auch nicht wusste, war, wie sehr mich mein Leben mit all seinen Erinnerungen und schlechten Erfahrungen im Würgegriff hielt. Es war so viel mehr als die Trennung von Frau und Kind und so, es war mein Geist, besessen von der Phobie, auf alles vorbereitet sein zu müssen, obwohl ich schon längst hätte gelernt haben müssen, dass man nicht auf alles vorbereitet sein kann.

Es gab kein Buch oder keine Zeitung, die ich nicht gierig verschlang und dennoch wollte mich mein Professor nicht bestehen lassen. Und als ich das begriff, immerhin hatte ich für seine Arbeit sämtliche Werke von Freud und vieles von Jung gelesen, übte ich nicht, dies zu akzeptieren, sondern steigerte mich in die Wut, es ihm dennoch zu beweisen. Vergeblich.

So vergeblich wie der Wunsch, die Welt verstehen zu können, all der Hass, Neid, die Missgunst und Zwietracht. Ich konnte und wollte nicht verstehen, was jetzt, ein Jahr später langsam meine neue Wahrheit wurde und wird.

In einer Welt, die angefüllt ist von Kaufkraft, wo Qualität aufgrund der Notwendigkeit, dass so gut wie nichts mehr natürlich ist, ausschlieślich skalare Bedeutung hat, kommt man nicht umhin, sich im Spinnennetz der Vergleiche zu verfangen.

Alles kann größer und besser sein und alle streben, gefangen in ihrer eigenen kleinen Welt nach mehr. Was man auch sieht und fühlt und hört und riecht, nichts ist gut, alles ist immer in einem Steigerungspotential verortet und deshalb ein omnipräsenter Motivator zur Selbstoptimierung und darüber zur Geisel der Seele.

Ich konnte einfach nicht mehr glücklich sein, weil überall die Fratze des Ungenügens meinen Ehrgeiz provozierte und mich in den Abgrund der bedingungslosen Kapitulation riss.

Kein einziges Ding oder Wesen ließ mich zur Ruhe kommen, entweder ich oder mein Gegenüber konfrontierte mich mit holen Phrasen des Neoliberalismus wie: „Sei fleißiger“ oder „Du schaffst das, wenn Du nur willst“.

Aber was sollte das denn sein, was ich schaffe? Mehr Geld um noch weniger zu spüren, was ich eigentlich will?! Hab ich ernsthaft geglaubt, die Welt zu verstehen oder gar ihre Probleme zu lösen, wenn ich nur genug Zeitung lese?

Warum nötigte mich irgendwas in mir und außer mir ständig, mir zu jedem Scheiss eine Meinung zu machen? Egal ob Lebensstil, Politik, Musik oder Poesie, ich hatte meine Position und weil ich mich für belesen hielt, war sie natürlich richtig, auch was sag ich richtiger, am richtigsten.

Und damit befand ich mich in guter Gesellschaft. Als ein Teil einer „ich-weiss-es-besser-Gesellschaft“, verstrich mein Leben in völlig unnützen Diskussionen über alles. Geld, Liebe, Politik und noch so viel mehr. Mein Geist machte vor nichts halt und merkte nicht, dass die Vorwürfe, die ihn zermürbten, nur deshalb wirken konnten, weil ich sie mir selber auch machte.

Man könnte sagen, dass ich mit Atomwaffen für Pazifismus kämpfte und mich wunderte, dass ich nicht voran kam.

Heute hab ich das alles immer noch nicht überwunden, aber ich zapple auch nicht mehr, wie eine Opferfliege vergeblich im Spinnennetz.

Ich schneide mich täglich mit einer friedlichen Erfahrung Stück für Stück frei. Ich freue mich jeden Tag über das Gefühl, endlich wieder etwas bewegen zu können, was schon verloren schien. Natürlich wird mich die Spinne am Ende dennoch fressen, aber weil ich aufhöre, die ganze Lebensqualität an der Utopie zu messen, diesen Kampf zu gewinnen wird ein Zeh bewegen wieder zum Glücksmoment und mittlerweile, kann ich schon wieder den ganzen linken Fuss bewegen, zumindest ein bissen.

Euer Ulf

In english

Born stupid and getting dumber by the day

I think I was scared a year ago. The apartment was still as good as full, the Jürmann was far from finished and I was in the middle of my studies, desperately working on a term paper about The Magic Mountain and worried about how we were going to manage it all, because our savings were already melting significantly and the only income was my book sales and a neighbor’s surprise egg collection.

And we didn’t even know what disasters were still waiting for us.

But what I also didn’t know was how much my life had a stranglehold on me with all its memories and bad experiences. It was so much more than being separated from my wife and child and such, it was my mind obsessed with the phobia of having to be prepared for everything, even though I should have learned long ago that you can’t be prepared for everything.

There wasn’t a book or newspaper that I didn’t devour voraciously and yet my professor wouldn’t let me pass. And when I realized this – after all, I had read all of Freud’s works and much of Jung’s for his paper – I didn’t practice accepting this, but instead worked myself up into a rage to prove it to him anyway. In vain.

As futile as the desire to understand the world, all the hatred, envy, resentment and discord. I could not and would not understand what now, a year later, was and is slowly becoming my new truth.

In a world filled with purchasing power, where quality has an exclusively scalar meaning due to the necessity that almost nothing is natural anymore, you can’t help but get caught up in the spider’s web of comparisons.

Everything can be bigger and better and everyone, trapped in their own little world, strives for more. Whatever you see and feel and hear and smell, nothing is good, everything is always located in a potential for improvement and is therefore an omnipresent motivator for self-optimization and therefore a hostage to the soul.

I simply couldn’t be happy anymore because the grimace of inadequacy provoked my ambition everywhere and dragged me into the abyss of unconditional surrender.

Not a single thing or being allowed me to rest, either I or my counterpart confronted me with neoliberalism’s catchphrases such as: „Be more diligent“ or „You can do it if you only want to“.

But what was I supposed to achieve? More money to feel even less of what I actually want? Did I seriously believe that I could understand the world or even solve its problems if I just read enough newspapers?

Why was something inside and outside of me constantly forcing me to form an opinion on every piece of shit? Whether it was lifestyle, politics, music or poetry, I had my position and because I considered myself well-read, it was of course the right one, or what do I call the most right?

And that put me in good company. As part of an „I-know-better society“, my life was spent in completely useless discussions about everything. Money, love, politics and so much more. My mind stopped at nothing and didn’t realize that the accusations that were wearing it down could only work because I was doing them to myself.

You could say that I fought for pacifism with nuclear weapons and wondered why I wasn’t getting anywhere.

Today I still haven’t got over all that, but I’m no longer floundering in vain like a sacrificial fly in a spider’s web.

I cut myself free bit by bit every day with a peaceful experience. Every day I rejoice in the feeling of finally being able to move something again that seemed lost. Of course, the spider will still eat me in the end, but because I stop measuring the whole quality of life against the utopia of winning this battle, moving a toe becomes a moment of happiness again and in the meantime, I can already move my whole left foot again, at least a bit.

Your Ulf

En Francaise

Né stupide et devenu plus stupide chaque jour

Je crois que j’avais peur il y a un an. L’appartement était encore quasiment plein, le Jürmann loin d’être terminé et j’étais en pleines études, désespérant de faire un devoir sur la Montagne magique et craignant de savoir comment nous allions nous en sortir, car les économies fondaient déjà de manière significative et les seuls revenus étaient mes ventes de livres et la collection d’œufs surprise d’un voisin.

Et nous ne savions pas encore quelles catastrophes nous attendaient encore.

Mais ce que je ne savais pas non plus, c’est à quel point ma vie me tenait en haleine avec tous ses souvenirs et ses mauvaises expériences. C’était tellement plus que la séparation de ma femme et de mon enfant et tout ça, c’était mon esprit, obsédé par la phobie de devoir être prêt à tout, alors que j’aurais dû apprendre depuis longtemps qu’on ne peut pas être prêt à tout.

Il n’y avait pas un livre ou un journal que je ne dévorais pas avidement, et pourtant mon professeur ne voulait pas me laisser réussir. Et quand je l’ai compris, après tout, j’avais lu pour son travail tous les ouvrages de Freud et beaucoup de ceux de Jung, je ne me suis pas entraîné à l’accepter, mais je me suis mis en colère pour le lui prouver quand même. En vain.

Aussi vaine que la volonté de comprendre le monde, toute la haine, l’envie, la jalousie et la discorde. Je ne pouvais et ne voulais pas comprendre ce qui, un an plus tard, est devenu et deviendra lentement ma nouvelle vérité.

Dans un monde rempli de pouvoir d’achat, où la qualité a une signification exclusivement scalaire en raison de la nécessité de ne plus rien avoir de naturel, on ne peut pas éviter de se faire prendre dans la toile d’araignée des comparaisons.

Tout peut être plus grand et meilleur, et tous aspirent à plus, prisonniers de leur propre petit monde. Quoi que l’on voie, que l’on ressente, que l’on entende ou que l’on sente, rien n’est bon, tout est toujours situé dans un potentiel d’amélioration et donc un motivateur omniprésent pour l’optimisation de soi et, par là même, un otage de l’âme.

Je ne pouvais tout simplement plus être heureux, car partout le visage de l’insuffisance provoquait mon ambition et m’entraînait dans l’abîme de la capitulation inconditionnelle.

Pas une seule chose ou un seul être ne me permettait de trouver le repos, soit moi, soit mon interlocuteur me confrontait à des phrases récupérées du néolibéralisme telles que : „Sois plus assidu“ ou „Tu peux y arriver si tu le veux“.

Mais qu’est-ce que je devrais réussir ? Plus d’argent pour sentir encore moins ce que je veux vraiment ?! Pensais-je sérieusement comprendre le monde ou même résoudre ses problèmes en lisant suffisamment les journaux ?

Pourquoi quelque chose en moi et en dehors de moi m’obligeait-il constamment à me faire une opinion sur n’importe quelle connerie ? Qu’il s’agisse de style de vie, de politique, de musique ou de poésie, j’avais ma position et comme je me considérais comme lettré, elle était bien sûr la plus juste, et même la plus juste.

Et en cela, je me trouvais en bonne compagnie. En tant que membre d’une société du „je sais mieux“, ma vie s’est écoulée en discussions totalement inutiles sur tout. L’argent, l’amour, la politique et tant d’autres choses encore. Mon esprit ne s’arrêtait devant rien et ne se rendait pas compte que les reproches qui le minaient ne pouvaient avoir d’effet que parce que je me les faisais aussi à moi-même.

On pourrait dire que je me battais pour le pacifisme avec des armes nucléaires et que je m’étonnais de ne pas avancer.

Aujourd’hui, je n’ai toujours pas surmonté tout cela, mais je ne me débats plus non plus, comme une mouche sacrifiée, en vain dans une toile d’araignée.

Chaque jour, je me libère petit à petit grâce à une expérience paisible. Je me réjouis chaque jour du sentiment de pouvoir enfin faire bouger quelque chose qui semblait perdu. Bien sûr, l’araignée finira quand même par me manger, mais comme je cesse de mesurer toute la qualité de ma vie à l’utopie de gagner ce combat, bouger un orteil redevient un moment de bonheur et, entre-temps, je peux à nouveau bouger tout le pied gauche, du moins une partie.
au moins un peu.

Votre Ulf

El Español

Nacido estúpido y cada día más tonto

Creo que hace un año tenía miedo. El piso aún estaba como lleno, el Jürmann estaba lejos de terminarse y yo estaba en mitad de mis estudios, desesperada por un trabajo trimestral sobre La montaña mágica y preocupada por cómo íbamos a arreglárnoslas con todo, porque nuestros ahorros ya se estaban derritiendo considerablemente y los únicos ingresos eran mis ventas de libros y la colección sorpresa de huevos de un vecino.

Y ni siquiera sabíamos qué desastres nos esperaban todavía.

Pero de lo que tampoco me había dado cuenta era de hasta qué punto mi vida me atenazaba con todos sus recuerdos y malas experiencias. Era mucho más que la separación de mi mujer y mi hijo y cosas así, era mi mente, obsesionada con la fobia de tener que estar preparado para todo, aunque debería haber aprendido hace mucho tiempo que no se puede estar preparado para todo.

No había libro ni periódico que no devorara con voracidad y, sin embargo, mi profesor no me dejaba aprobar. Y cuando me di cuenta de ello -al fin y al cabo, había leído todas las obras de Freud y gran parte de las de Jung para su tesis- no me ejercité en aceptarlo, sino que monté en cólera para demostrárselo de todos modos. En vano.

Tan inútil como el deseo de comprender el mundo, todo el odio, la envidia, el resentimiento y la discordia. No podía ni quería entender lo que ahora, un año después, se estaba convirtiendo poco a poco en mi nueva verdad.

En un mundo lleno de poder adquisitivo, donde la calidad tiene un significado exclusivamente escalar debido a la necesidad de que casi nada sea ya natural, no puedes evitar quedar atrapado en la tela de araña de las comparaciones.

Todo puede ser más grande y mejor y cada uno, atrapado en su pequeño mundo, se esfuerza por conseguir más. Veas lo que veas, sientas lo que sientas, escuches lo que escuches y huelas lo que huelas, nada es bueno, todo está siempre situado en un potencial de mejora y, por tanto, es un motivador omnipresente de la autooptimización y, por tanto, un rehén del alma.

Simplemente ya no podía ser feliz porque la mueca de insuficiencia provocaba mi ambición por todas partes y me arrastraba al abismo de la rendición incondicional.

Ni una sola cosa o ser me permitía descansar, ni yo ni mi contraparte me enfrentábamos a latiguillos del neoliberalismo como: „Sé más diligente“ o „Puedes hacerlo si sólo quieres“.

Pero, ¿qué se suponía que debía conseguir? ¿Más dinero para sentir aún menos lo que realmente quiero? ¿Creía seriamente que podría entender el mundo o incluso resolver sus problemas con sólo leer suficientes periódicos?

¿Por qué algo dentro y fuera de mí me obligaba constantemente a formarme una opinión sobre cada mierda? Ya se tratara de estilo de vida, política, música o poesía, yo tenía mi postura y, como me consideraba una persona culta, por supuesto era la correcta, o como yo la llamo, la más correcta.

Y eso me colocaba en buena compañía. Como parte de una „sociedad del yo sé más“, mi vida transcurría en discusiones completamente inútiles sobre todo. Dinero, amor, política y mucho más. Mi mente no se detenía ante nada y no se daba cuenta de que las acusaciones que la desgastaban sólo podían funcionar porque me las hacía a mí mismo.

Se podría decir que luchaba por el pacifismo con armas nucleares y me preguntaba por qué no llegaba a ninguna parte.

Hoy todavía no he superado todo eso, pero ya no revoloteo en vano como una mosca sacrificada en una tela de araña.

Cada día me libero poco a poco con una experiencia de paz. Cada día me regocijo en la sensación de ser capaz por fin de volver a mover algo que parecía perdido. Por supuesto, al final la araña seguirá comiéndome, pero como dejo de medir toda la calidad de vida en función de la utopía de ganar esta batalla, mover un dedo del pie vuelve a ser un momento de felicidad y, mientras tanto, ya puedo volver a mover todo el pie izquierdo, al menos un poco.

Tu Ulf

4 Kommentare

  1. Avatar von David David sagt:

    The phobia of having to be prepared for everything… that sounds like a very scary situation!

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    1. Yes, i really Hope I overcame it finally

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  2. Avatar von Gazelle3 afrikafrau sagt:

    Vieles das du hier so treffend beschreibst, kommt mir bekannt vor, wir alle haben unsere Dramen erlebt, gezweifelt , wieder von vorne begonnen.
    „in der Ruhe liegt die Kraft“ zählt heute nicht mehr, Erst da erkennt man, akzeptiert man seine Unvollkommenheit das eigene Unvermögen. Diese Erkenntnis bringt uns weiter, sein eigenes Leben in den Griff zu bekommen. Die Vergangenheit nehmen wir überall mit, das ist unser Identität zu uns selbst. Im „Jetzt“ sich zu verankern, jeden Tag neu……

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